Nachdem ich mich wieder etwas gefangen hatte, wollte ich natürlich wissen, was das für eine Rasse ist und warum unsere Tiere nicht so schön auf dem Tisch stehen. Der Besitzer erzählte mir dann, daß diese Rasse "Blaue Wiener" heißt und daß dieser Rammler jetzt der "Polizeichef" von der Kaninchenfarm sei. Daß das mit dem Polizeichef nur Blödsinn war, verstand ich sofort, fand diesen "Titel" aber nicht nur originell, sondern auch irgendwie passend. Ich machte mich zusammen mit meinem Vater auf den Weg zu unserer Anlage, merkte jedoch sofort, daß etwas nicht mehr so war wie vorher. Auf diesem Weg versuchte ich ihm klarzumachen, daß wir die Rasse wechseln müßten, denn diese Blauen Wiener waren meiner Meinung nach des "Rätsels" Lösung.
Ohne große Diskussion wurde mir zu verstehen gegeben, daß zum einen unsere Zuchtanlage für zwei Rassen zu klein wäre, und er überhaupt nicht daran denken würde, seine Hellen Großsilber aufzugeben. Da ich als jugendlicher keine eigene Zuchtanlage bekam, war für mich klar, daß es hier ein "dickes Brett" zu bohren galt. Bei jeder Ausstellung, die wir besuchten, zog es mich sofort zu den "Blauen", und wann immer ich nach einem Wunsch gefragt wurde, kam von mir nur eine Anwort: Blaue Wiener. Daß Beharrlichkeit auch eine Tugend ist und frei nach dem Motto "Steter Tropfen höhlt den Stein" zum Erfolg führen kann, zeigte sich erst einige Monate später.
Wir waren bei einer Ausstellung und standen wieder einmal vor den Blauen Wienern, als mein Vater mir plötzlich und für mich zu diesem Zeitpunkt völlig unerwartet folgendes Angebot machte: "Wenn du immer noch Blaue Wiener züchten willst, kaufe ich dir ein Zuchtpaar und stelle dir zwölf Buchten zur Verfügung. Für diese Ställe und deine Tiere bist du ganz alleine verantwortlich, d. h. für die Zusammenstellung der Zuchtpaare, die Fütterung und Pflege der Tiere, Beschicken von Ausstellungen und die Selektion der Tiere bist nur du zuständig. " Alle finanziellen Dinge würde er solange für mich übernehmen, bis ich eigenes Geld verdienen würde. Daß er mir immer mit Rat und Tat zur Seite stehen würde, war mir klar, und so fiel es mir nicht schwer, diese Bedingungen zu akzeptieren. Endlich hatte ich meine Blauen Wiener, obwohl ich zugeben muß, daß sie mit dem "Polizeichef" noch nicht allzuviel Ähnlichkeit hatten, aber das war mir in diesem Augenblick egal, Hauptsache der Anfang war gemacht.
Nach zwei Jahren Blaue Wiener Zucht mit mehr oder weniger Erfolg, mußte ich feststellen, daß zwölf Buchten eigentlich zu wenig sind und mir nicht die Möglichkeiten für einen vernünftigen Zuchtaufbau bieten konnten. In dieser Situation hatte ich das große Glück, einen Vorstand in unserem Verein zu haben, der mich und mein "Treiben" genau beobachtet hatte, und mir so völlig unerwartet als erstem jugendlichen (mit 15 Jahren) in unserer Farm eine eigene Zuchtanlage anbot, was mir natürlich ganz neue Perspektiven eröffnete. |